Driediger Verlag, 209 Seiten, 17,90 €
Hans-Peter Dürr ist einer der renommiertesten Quantenphysiker unserer Zeit. Der Träger des Alternativen Nobelpreises, 1929 geboren, blickt im Gespräch mit Anne Devillard auf ein bewegtes und reiches Leben zurück. „Ein Leben voller Staunen“ entfaltet sich da: auf autobiographische Weise erzählt, gelenkt durch behutsame Fragen.
Viel erfährt man über den Physiker Dürr. Etwa, dass er als junger Mann in den 1950er Jahren ein amerikanisches Stipendium für ein Physikstudium in den USA bekam – für einen Deutschen nicht selbstverständlich. Warum das erstaunlich ist, zumal es um Atomphysik ging, erzählt Hans-Peter Dürr genauso wie von den Schrecken des Zweiten Weltkrieges, denen er, fast noch ein Kind, mit seiner Familie ausgesetzt war. Selbst Gefangenschaft und Lagererfahrung sind ihm nicht fremd: Er war in einem amerikanischen Lager inhaftiert worden und wäre dort fast ums Leben gekommen. Beim Lesen der Schilderungen Dürrs merkt man, welchen Einfluss diese Erfahrungen auf seine Lebensphilosophie hatten – und wie sie ihren Teil dazu beitrugen, ihn zu dem wissenschaftliche Disziplinen übergreifenden Querdenker und Mahner zu machen, als der er bekannt ist.
Bei den „Vätern der Atombombe“, Werner Heisenberg und Edward Teller, studierte Hans-Peter Dürr und war als Mitarbeiter Heisenbergs unmittelbarer Beobachter amerikanischer und deutscher Atompolitik. Dürrs Lebens- und Forschungsgeschichte brachte ihn dazu, Erkenntnisse aus der Quantenphysik, wie die der Komplementarität, auf den normalen menschlichen Alltag zu übertragen. Aus ihnen allen hat er Richtlinien für menschliches Verhalten abgeleitet und seinen Humanismus. Doch er sieht mit Sorge den gegenwärtigen Zustand der Welt, die „so wie sie jetzt ist, ein Konstrukt der Menschen ist, das eigentlich nicht mehr zulässig ist.“
Doch nicht nur Hans-Peter Dürr kommt zu Wort. Auch Menschen, die ihn geprägt haben, äußern sich – neben seinem Lehrer Werner Heisenberg auch die Philosophin Hannah Ahrendt oder der Staatsmann Michail Gorbatschow. Aus den im „Leben voller Staunen“ veröffentlichten Gesprächen und Reflexionen offenbart sich, dass Hans-Peter Dürr auch geradezu mystisch geprägt ist. In Konflikten akzeptiert er ungern Entweder-oder-Gegensätze, er sucht immer wieder nach einem dritten Weg.
„Wir sind so geschaffen“, sagt er dazu, „dass wir eigentlich alle den Zugang zu unserer Quelle haben … Aber unsere Angst, unser Mangel an Vertrauen hindern uns daran, aus unserer inneren Quelle zu schöpfen…“
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Geprägt ist der Naturwissenschaftler Dürr aber ganz besonders durch einen Menschen, der in mancherlei Hinsicht sein Gegenstück ist: seine amerikanische Frau Sue.
Sie kommt ausführlich zu Wort. Und damit auch die gemeinsame Geschichte des Ehepaars und der Familie Dürr. Leidenschaftliche Folklore-Tänzerin schon seit frühen Kindertagen, betrachtet Sue Dürr auf ihre Art Leben und Welt. Diese ist der ihres Mannes zuweilen konträr. Und doch wieder nicht: denn es gibt hier Verbindungen zwischen der Lebensweisheit einer Musikerin und Tänzerin von Gemeinschaftstänzen und denen eines Quantenphysikers.
Die Lebensgeschichte der Tanzlehrerin und Musikerin Sue Dürr nimmt die zweite Hälfte des Buches ein. Sue Dürrs sprudelnde Lebensfreude, die hier zum Ausdruck kommt, ist geradezu ansteckend und verleitet dazu, einen ganz anderen Blick auf die Dinge zu werfen als den bisher gewohnten. Sicher hat Sue Dürr maßgeblich dazu beigetragen, dass Hans-Peter Dürr zu dem Querdenker wurde, als der er bekannt ist. Als „Tanz“ sieht er das Leben, geprägt durch die gemeinschaftsstiftende Erfahrung mancher Volkstänze, an denen er mit seiner Frau teilgenommen hat. Und in gewissem Sinne ist diese Metapher, so alt sie auch sein mag, immer wieder neu. Sich auch auf deren Bedeutung einzulassen und ihr reflektierend nachzuspüren, darauf macht die Lektüre dieses Buches Lust!
Einschätzung der Redaktion des Reiki Magazin: Informativ, berührend, gut lesbar!
Ein Leben voller Staunen: Anne Devillard im Gespräch mit Hans-Peter Dürr und Sue Dürr