O.W. Barth, 430 Seiten, 24,99 €
„Dakini Power“ von Michaela Haas, einer promovierten Asienwissenschaftlerin, ist eine geballte Ladung Lesestoff: Zwölf Biographien von Frauen sind in diesem rot gebundenen Buch gesammelt; alle praktizierende und lehrende Buddhistinnen, viele von ihnen aus dem Westen stammend.
Sie tragen bekannte Namen wie etwa Pema Chödrön und Tsültrim Allione. Alle diese Frauen haben einen großen Teil dazu beigetragen, dass der Buddhismus in seiner Vielfalt im Westen wahrgenommen wurde und ankommen konnte. Die Frauen gehören unterschiedlichen Traditionen an, manche verbinden diese gar in Personalunion.
So viel Power ist zuweilen einschüchternd. Großartig und begeisternd klingt es, zu erfahren, dass manche der Frauen jahrelang meditiert haben, etwa als Eremitin in einsamen Höhlen oder Berghütten. Die meisten aber, Familie oder klösterliche Gemeinschaft und Arbeit samt spiritueller Praxis unter einen Hut bringend. Und wenn man genauer hinschaut, stellt man fest, dass keine der Frauen wirklich isoliert ist. Ihre Kraft kommt nicht nur aus der Familie, sondern auch aus der Gemeinschaft, die sie trägt, selbst dann, wenn sie ihren eigenen Weg gehen, wie etwa Tsültrim Allione, zunächst Nonne, dann Ehefrau und Mutter.
Die dargestellten Frauen gehören dem tibetischen Buddhismus an. Warum? „Dakini Power“ erklärt: „Der tibetische Buddhismus beinhaltet ein einzigartiges Versprechen: dass Frauen auf dem Weg zur Befreiung das größere Potenzial haben.“ Allerdings finden sich in diesem Buch gleichzeitig auch etliche Beispiele dafür, dass gerade im tibetischen Buddhismus die Nonnen besonders stark ausgegrenzt und unterdrückt werden. Sie erhalten etwa nicht die volle Weihe, die sie befähigen würde, eine umfassende Ausbildung zu bekommen.
Einige der in „Dakini Power“ portraitierten Wegbereiterinnen leben als Nonne. Etwa Karma Lekshe Tsomo, eine deutschstämmige Amerikanerin, die in Dharamsala ein Nonnenkloster gegründet hat. Ihre erste Aufgabe bestand unter anderen darin, den neu aufgenommenen Nonnen, meist Flüchtlingen aus Tibet, Lesen und Schreiben beizubringen. Wie wenig Selbstvertrauen die Nonnen hatten, zeigen Zitate wie: „Ach, wir sind zu dumm, um lesen lernen“. Doch das Projekt nahm seinen Lauf, denn die Nonnen wollten die Lehrreden des Dalai Lama verstehen. Es war anschließend, als sei ein Damm gebrochen. Die Wissbegierde der Nonnen kannte keine Grenzen mehr, sie wollten Englisch lernen und Philosophie und, so Karma Lekshe Tsomo: „Ehe ich mich versah, hatten wir ein volles Studienprogramm.“
Die Biographien der vorgestellten Frauen sind auf faszinierende Weise miteinander verwoben. Eine Begegnung hier, das Hören eines Namens da – und schon ergaben sich für die Portraitierten weitreichende Konsequenzen. Oft vergleichbar mit dem Sprung in unbekanntes Gewässer. Das meistens trug und trägt. Und: Es gibt in diesem Meer, als das ich den Buddhismus und seine vielfältigen Strömungen wahrnehme, auch Klippen oder Untiefen. Die zeigen sich in „Sex und Sexismus“, wie eine der dargestellten Nonnen es auf den Punkt brachte, sowie in Macht und deren Missbrauch. Mönche und das Mönchstum werden im tibetischen Buddhismus traditionellerweise offenbar derart hochgeschätzt, dass „selbst die erfahrenste Nonne hinter dem jüngsten Mönchsbuben Platz nehmen“ muss.
Die portraitierten Frauen sind allesamt von einer Power erfüllt, die schon beim Lesen überspringt. Die Farbe Rot auf Umschlag, Einband und Vorsatzblättern transportiert sie geradezu vibrierend. Manchmal ist diese Kraft derart stark, dass ich lesend innehalten musste. „Dakini Power“ ist kein Buch, das in einem Rutsch verschlungen werden kann. Dann nämlich verlieren die Portraits ihre Tiefe. Besser ist, sie sich einzeln vorzunehmen und sich auf sie einzulassen – so entfalten sie ihren zuweilen bestrickenden und höchst individuellen Zauber. „Dakini Power“ eben. Was verbirgt sich hinter dem Begriff? Grob umrissen, ließe sich eine Dakini als „weibliche Verkörperung von Erleuchtung“ beschreiben, als Bezeichnung für eine weise Meditierende. Doch die Eigenschaften der Dakini sind noch mehr, schillernd und vielfältig, ihre Gestalten mannigfach. Die Portraits sind so unterschiedlich wie die Frauen. Mal ein Interview oder ein Ausschnitt aus dem Leben, zuweilen eine komprimierte Biographie.
Die Reise durch die Portraits ist in gewisser Weise auch eine Reise durch Länder, Zeiten und durch verschiedene Strömungen und Traditionen des Buddhismus. Zudem haben die Frauen ihre Schwerpunkte unterschiedlich gesetzt. Es gibt eine amerikanische Simultanübersetzerin, die direkt aus dem Tibetischen übersetzt, eine ehemalige Surferin aus Kalifornien, die jetzt in dem von ihr gegründeten Nonnenkloster lebt, eine Zen-Priesterin, deren Lebenswerk die Begleitung Sterbender ist. Ein besonders anrührendes Portrait, eine „Hommage an die Königin der Dakinis“ bildet den Abschluss. Es ist in gewisser Weise das Gegenstück zum ersten Portrait des Buches, das eine junge Tibeterin beschreibt, die eine besondere Rolle verkörpert und ihren Einfluss dazu nutzt, ihren Nonnen zu helfen.
In „Dakini Power“ gibt es nicht nur einen roten Faden, sondern mehrere. Die herauszufinden ist spannend und die Ansichten der dargestellten Frauen inspirierend!
Einschätzung der Redaktion des Reiki Magazin: Berührend, spannend, lesenswert!
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