Speziell die Philosophen des Mittelalters, deren Untersuchungen
Scholastik oder Scholastizismus genannt werden, beschäftigen sich vornehmlich mit der kirchlichen Theologie, und zwar nicht mit deren Inhalt, sondern um diesen auf Grund der aus dem Altertum überlieferten Philosophie zu systematisieren, zu begreifen und zu beweisen. Bei den Philosophen des Mittelalters stand das Denken im Dienste der Kirchenlehre, obwohl vor allem die spezifisch christlichen Dogmen, zum Beispiel die Trinität, durch die Vernunft nicht beweisbar sein sollten, sondern ohne Anlehnung an die Kirchenlehre behandelt werden durften und auch wurden.
Ihren Namen haben die Scholastiker daher,
dass sie ursprünglich Lehrer an den seit der Zeit Karl des Großen gestifteten Kloster- und bischöflichen Schulen waren. Die logischen Hilfsmittel entnahmen sie den dürftigen Überlieferungen aus dem klassischen Altertum, welche überwiegend die Übersetzungen und eigenen Schriften des Boethius darboten. Die metaphysischen Hilfsmittel entstanden teils platonischen, neuplatonischen und teils aristotelischen Begriffen.
Im Vordergrund des Interesses stand bis zum Ende des 11. Jahrhunderts die Frage, ob die allgemeinen Begriffe wirkliche Dinge bezeichneten oder bloße Produkte der Reflektion und Abstraktion seien. Der Gegensatz in der Beantwortung der Frage (Realismus und Nominalismus) spaltete sich in eine Menge teils streitender, teils vermittelnder Lehrformen. In der ersten, bis zu Anfang des 13. Jahrhundert reichenden Periode der Schoalistik haben herausragende Bedeutung: Berengar von Taurs, Lanfranc, Joh. Scotus Erigena, Joh. Roscellinus, Peter Abälard, Petrus Lombardus, Johann von Salisbury.
Eine neue Epoche beginnt am Anfang des 13. Jahrhunderts
mit dem Bekanntwerden auch der metaphysichen und physischen Werte des Aristoteles. Diese wiederum durch lateinische Übersetzungen und durch Benutzung der Werte der arabischen Philosophen. Dieser Epoche gehörten an: Alexander von Hales, Albertus Magnus, Thomas von Aquino und Johannes Duns Scotus, Vincentius Vellovacensis und Raimund Lullus.
Im 14. Jahrhundert entstand innerhalb der Scholastik eine Spaltung
zwischen Thomisten (den Anhängern von Thomas von Aquino) und Scotisten (Anhänger des Scotus). Der Nominalismus siegte zwar, aber die Scholastik verlor ihren religiösen Ernst und war ebenso wenig im Stande, sich der neuen lebensvollen Gestaltung der Wissenschaften, wie sie im Ausgang des Mittelalters hervortrat, anzuschließen, als ihr das Gegengewicht zu halten. Die Scholastik schien zwar im 15. Jahrhundert zu verschwinden, doch erreichte sie vom Ende des 16. Jahrhunderts an eine neue Blüte in den Jesuitenschulen und die Lehrart hat sich selbst auf protestantischen Universitäten bis ins 17. Jahrhundert erhalten.
Augustinus
Auch wenn er zeitgemäss dem späten Altertum zugeordnet werden kann, so ist Augustinus (354-430) thematisch der Philosophie des Mittelalters zuzuordnen. Er versuchte sich an vielen religiösen und philosophischen Strömungen ehe er zum Christen wurde und verband Christentum und Neuplatonismus, indem er z.B. Platons Ideenwelt Gott zuschrieb, aus denen heraus dieser die Welt erschaffen habe.
Die Sicht Plotins auf das Böse interpretiert Augustinus folgendermassen: Der gute Wille ist Gottes Werk, der böse Wille ist der Abfall vom Werke Gottes. Dieser Abfall ist bereits vorprogrammiert, denn Augustinus teilte die Menschen in zwei Gruppen ein: die einen sind verdammt, während Gott einige andere zur Erlösung auserwählt. So leitete seiner Ansicht nach die göttliche Vorsehung die Geschichte der Menschheit vom Anfang bis zum Ende: der Errichtung des Gottesstaates.
Anselm von Canterbury
Philosoph und Theologe aus dem 11. Jahrhundert, Erzbischof von Canterbury. Verfasste wichtige Schriften und legte damit den Grundstein für die mittelalterliche Philosophie und Theologie. Er wurde als „Vater der Scholastik“ bezeichnet. Vor allem zwei Gedankenkreise sind es, in denen diese Grundlegung sich vollzieht: das Verhältnis des Denkens zum Glauben wird ins Reine gebracht, und er versucht sich an Beweisen für das Dasein Gottes.
Was das Verhältnis von Glauben und Denken angeht, so behauptet Anselm, keine dieser beiden Fähigkeiten des Menschen reiche für sich genommen aus, um die Wahrheit zu erfassen. Das bloße Wissen könne nicht zum Wesentlichen vordringen, es müsse im Glauben wurzeln. Aber auch das bloße Glauben sei unzulänglich, solange es sich nicht mit dem Wissen verbinde. Es komme entscheidend darauf an, dass der Glaube sich selbst durchsichtig werde. Der Grundsatz von Anselm: „Ich glaube, damit ich einsehe“. Im gleichen Sinne redet er von dem „Glauben, der nach Einsicht sucht“.
Albertus Magnus oder Albert der Deutsche
Kurz vor 1200 in Lauingen an der Donau geboren, studierte er an den Universitäten Bologna und Padua und trat 1223 in den Dominikanerorden ein. Er war erfüllt von geistiger Regsamkeit bis ins hohe Alter und einem Wissensdrang, der ihn immer wieder veranlasste, nicht blind dem Bücherwissen der Autoritäten zu vertrauen, sondern die Natur selbst genau zu beobachten und exakt zu beschreiben. Er war eine der führenden Gestalten der mittelalterlichen Scholastik und der erste Theologe des Mittelalters, der dem Aristotelismus klar und scharf ins Auge geschaut hat.
Nicht unerwähnt bleiben soll der Empiriker Albert Magnus, der Mann der unmittelbaren Erfahrung von seiner revolutionären Neubewertung des auf solche Weise erworbenen Wissens. Vielleicht liegt sogar auf diesem Feld seine spezifische Bedeutung und seine am meisten in die Zukunft vorausweisende Leistung. Er hatte vor allem selbst den Dingen der sichtbaren Welt eine sehr genaue und unermüdliche Aufmerksamkeit zugewandt. So gibt es nicht viele Pflanzen und Tiere in Europa, die er in seinen Büchern De vegetabilibus und De animalibus nicht beschrieben hätte. Seine naturkundlichen Erörterungen hielt er jedoch konsequentfrei von theologischen Aspekten. Es gibt weder fromme Symbolisierungen noch ethische Nutzanwendungen. Man hat gelegentlich Albert Magnus mit dem großen Beobachter und Schilderer der Natur Alfred Brehm verglichen.
„Die Dinge der natürlichen Welt bekommt man nur dann wirklich zu Gesicht und zu fassen, auch ihre Kreatürlichkeit, wenn man sie betrachtet als das, was sie in sich selber sind.“
Eckhart von Hochheim
Geboren um 1260, einem ritterlichen Adelsgeschlecht entstammend, besuchte er das Dominikanerkloster in Erfurt, studierte in Straßburg und Köln. Wird 1302 Magister. Von diesem Titel leitet die Bezeichnung „Meister Eckhart“ her. In den gängigen Darstellungen der Geschichte der Philosophie wird Eckhart recht stiefmütterlich behandelt. Was dort vor allem traktiert wird, ist der Gang des rationalen Philosophierens. Die Philosophen von Profession übersehen leicht, dass sich durch die ganze Philosophiegeschichte ein unterirdischer und nur selten an die Oberfläche tretender Strom eines andern, des mystischen Philosophierens zieht.
Eckhart war nicht der erste, der auf diese Weise denkt. Ihm voran gingen Plotin aus dem dritten, Dionysios Areopagita aus dem fünften und Eriugena aus dem achten Jahrhundert nach Christus. Der mystische Weg Eckharts war zunächst ein Weg der Abscheidung. Des Abschiednehmens. Er soll „leer sein aller Kreatur“, „abgeschieden von allen Dingen“. Eckhart ging es nicht um ein ekstatisches Transzendieren. Vielmehr musste sich der Mensch in der Welt vom Verfallensein an die Dinge freimachen. „Ein Lebemeister gilt mehr denn tausend Lehrmeister.“ Das mystische Verhalten ist „eine Sammlung, ein Heimrufen aller Kräfte aus den zerstreuten Dingen in ein inwendiges Wirken“; denn „der Mensch trägt alle Wahrheit wesentlich in sich“.
Von dieser mystischen Grunderfahrung aus kann sich entfalten, was bei Eckhart Philosophische Theologie genannt werden konnte: Die Spekulation über Gott. Gott ist nicht nur der Schöpfer des Seienden, sondern auch das Sein im Seienden. „Gottes Wesen ist mein Leben. Ist mein Leben Gottes Wesen, so muss das Sein Gottes meines sein und Gottes Wesenheit meine Wesenheit.“ Damit die Abgeschiedenheit in ihre äußerste Möglichkeit gelangt, sagte Eckhart: „Das Höchste und das Nächste, was der Mensch lassen kann, das ist, dass er Gott lasse wegen Gott.“ Und „Gott ist reine Einsicht, deren ganzes Sein das Einsehen selbst ist.“ Um Eckhart zu begreifen, muss man seinen Weg der Erfahrung betrachten, und zwar so, dass man ihn nicht als einen abstrakten Gang, sondern als einen wirklich zu gehenden Weg begreift.
Seine Denkweise setzt sich in Franz von Baader fort.
Eckharts Schüler: Nicolaus von Cues, Jakob Böhme.
Johannes Duns Scotus
1266 in Schottland geboren, studierte in Oxford und Cambridge. Sein kritisches und scharfsinniges Denken hat der Philosophie neue Wege gewiesen, seine Lehre vom Seienden und seinen Modalitäten, seine Bestimmungen von Individualität, Wille und Freiheit haben die Philosophie der Neuzeit nachhaltig beeinflusst.
Thomas von Aquino
Bedeutendster Denker aus dem 13. Jahrhundert. Sein Lehrer war der Theologe und Philosoph Albertus Magnus. Die Zeitsituation brauchte ersichtlich einen bedeutenden Denker von höchster Konzentration. Denn die Epoche von Aquino ist eine Zeit schwerer Gefährdungen des Geistes, gerade auf dem Gebiet der Philosophie und Theologie.
Durch die Streitigkeiten hindurch hat sich hier in den vorangehenden Jahrhunderten eine gewisse Übereinstimmung herausgebildet. Es ist eine christliche Philosophie entstanden, erwachsen aus der Berührung des griechischen Geistes mit der christlichen Grunderfahrung. Sie hat in dem gewaltigen und gewaltsamen Denken des Augustinus („Ich war mir selbst zur Frage geworden.“) ihre erste große Gestalt gefunden und ist zuletzt in Amseln von Canterbury („Es existiert also ohne Zweifel etwas, über das hinaus man nichts Größeres denken kann, sowohl im Verstande wie in der Wirklichkeit.“) zu voller Wirksamkeit gelangt. Diese christliche Philosophie beruht auf einer Synthese der natürlichen Vernunft und des Glaubens. Aber so, dass die Vernunft sich dem Glauben unterordnet.
Thomas von Aquin glaubte nicht, daß die Philosophie eine Bedrohung der christlichen Lehre sei, sondern beides miteinander vereinbar wäre: sogenannte theologische Wahrheiten können auf beiden Wegen erlangt werden, auch wenn der Weg des Glaubens zuweilen weniger in die Irre führt. Letztendlich gebe es nur eine Wahrheit.
Nikolaus von Cues
Ist nicht nur ein Großer im Geiste, sondern auch ein Großer auf der Bühne der Welt. 1401 in Cues geboren, studierte er mit 15 Jahren Rechtswissenschaften und Humanistik und erwarb mit 22 Jahren den Doktorgrad. Liess sich als Rechtsanwalt nieder, aber nicht für lange. Er verlor gleich seinen ersten Prozess und wandte sich sofort dem geistlichen Stande zu und übernahm eine Pfarrei in der Diözese Trier. Nicht nur die Fehden zwischen Papst und Konzil beschäftigten ihn, er wurde beauftragt zwischen den bayerischen Herzögen und selbst Spanien und England zu vermitteln. Nicolaus wurde ein führendes Mitglied einer Delegation zur Aussöhnung Roms mit den Ostkirchen.
Auf der Heimfahrt ging ihm im Angesicht der Weite des Meeres als „Geschenk von oben, von dem Vater des Lichts“ die entscheidende philosophische Entdeckung seines Lebens auf: Dass nämlich die Einheit vor aller Zersplitterung den Vorrang habe, und zwar auf allen Gebieten der Wirklichkeit, und dass diese Einheit letztlich im Unendlichen, in Gott, liegen müsse. Zurückgekehrt, zog er sich in die Einsamkeit zurück und schrieb sein Werk „Von der wissenden Unwissenheit“. Unablässig stellte er die eine und einzige Frage, was Gott, der Unendliche, sei und wie er erfasst werden könne?
Mag diese philosophische Frage nach Gott auch nicht zum Ziele geführt haben, so bleibt zu bedenken, dass sie von Nicolaus von Cues in einer Intensität gestellt wurde, wie sie wenige aufbringen. Darum zählt er zu den Großen der Philosophie als „Philosphischer Theologe“.
„Gott wird im Dunkel gesehen, in einer unbegreiflichen Schau gleichsam auf dem Wege einer augenblicklichen Entrückung.“
„Gott ist verhüllt und verborgen vor den Augen aller Weisen, aber er offenbart sich dem Kleinen und Demütigen, denen er Gnade gibt.“