Edition CO’MED, 2009, 196 Seiten, 19,80 €
Spirituelles oder auch geistiges Heilen tritt in vielerlei Formen auf – und wer Interesse hat oder sich berufen fühlt, kann verschiedene Ausbildungen zum geistigen Heiler machen: Angebote und Schulen gibt es etliche dafür. Alle so unterschiedlich wie diejenigen, die als Heiler wirken oder geistiges Heilen unterrichten.
Heinz Rataj, Jahrgang 1958, arbeitet ebenfalls als Heiler sowie Kinesiologe in eigener Praxis für Humanenergetik; zudem ist er Lehrer für geistiges Heilen und Mitglied verschiedener Heiler-Dachverbände.
Mit seinem Buch „Das Ur-Phänomen Heilung“ verfolgt er ein besonderes Anliegen: er möchte anhand der in diesem Buch gesammelten, von ihm selbst verfassten Aufsätze und Vorträge geistiges Heilen „als künstlerische Tätigkeit“ darstellen. Es gehe nicht um Technik(en) noch sei geistiges Heilen „magischer Anwendungszauber“, sondern, so Rataj, „die Kunst, den Augenblick im Jetzt, als vollkommenen Ausdruck unseres göttlich-geistigen Selbst auftauchen und wirksam werden zu lassen.“
Das klingt vielversprechend, und mithilfe vieler Kronzeugen, nämlich so unterschiedlicher Geister wie des oft zitierten Bô Yin Râ (mit bürgerlichem Namen Joseph Schneiderfranken), der Philosophen Arthur Schopenhauer und Jean Gebser, des Mystikers Meister Eckhart und japanischer Zen-Buddhisten versucht Autor Rataj, sein Anliegen zu untermauern und darzustellen.
Die Sprache ist blumig und stark an die Ausdrucksweise des modernen Mystikers Bô Yin Râ und Karlfried Graf Dürckheims angelehnt, der übrigens auch zitiert wird – er war u. a. Lehrer für eine spezielle Weise, sich selbst und die Welt wahrzunehmen und unterrichtete Zen-Meditation. Auch fühlt man sich als Leser an die Ausdrucksweise Rudolf Steiners erinnert. Solche Anleihen bei der Sprache lassen den Schluss zu, dass Heinz Rataj von Bô Yin Râ, Graf Dürckheim und Rudolf Steiner gelernt hat und sie auf seine Weise auch damit ehrt.
Zentraler Gedanke und gemeinsame Schnittmenge der Lehren all dieser Denker ist, grob formuliert, der Durchbruch eines neuen Bewusstseins und dass den Menschen zu helfen sei, dies zu erlangen. Dies ist auch ein Grundgedanke von Heinz Rataj.
Ein weiterer Gedanke, ja ein dringendes Anliegen des Verfassers ist, zu beschreiben, was geschehen könnte und müsste, damit Heilung auf allen Ebenen möglich sein könne. Kein einfaches Unterfangen. Manches sperrt sich aufgrund seiner Natur dagegen, in Sprache gefasst zu werden. Wer sich mit Meditation befasst und versucht, zu beschreiben, was während einer Meditation geschieht, sieht sich ähnlichen Schwierigkeiten gegenüber. Erleuchtung, Samâdhi, Satori – wie auch immer der höchste Zustand genannt wird, der sich während einer Meditation ereignen kann, ist an sich unbeschreiblich. Und so ähnlich ist es mit dem, was Heinz Rataj zu benennen versucht: dem Zustand, in dem Heilung ermöglicht werden kann, einem Zustand, der beide gleichermaßen betrifft, den Heilungssuchenden wie den Heiler selbst. Um diesen Ort zu beschreiben, lässt Heinz Rataj in seinem Buch auch den persischen Dichter Rumi sprechen. Ein schöner Gedanke, das, was aufgrund seiner schillernden, höchst individuellen Natur schwierig zu benennen ist, mit den Worten bekannter Dichter wie Goethe, Rilke, Rumi und mit eigenen Gedichten gleichsam zu umschreiben.
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Der Verfasser stellt anhand einiger Grafiken dar, welche Ebenen, „Konfliktphasen und Krisenverarbeitung“, wie er sie nennt, es beim Heilungsgeschehen zu beachten gilt; abgebildet sind auch Symbole, die „Archetypen des Bewusstseins“ darstellen. Heinz Rataj gibt jedoch deren Quelle nicht an, so dass nicht klar wird, ob vielleicht er selbst diese entwickelt hat.
In seiner Definition von „Gebet“ und „Spiritualität“ ist ein grundlegendes Element die Überwindung des „personalen Ichs“. Überhaupt ist es dem Autor ein wichtiges Anliegen, den Begriff vom spirituellem Heilen, wie er schreibt, „aus der ‘esoterischen Umklammerung’ zu befreien … um einer Trivialisierung dieser wunderbaren Tätigkeit entgegenzuwirken.“
Heinz Rataj gelingt es jedoch nicht immer, seinem Anliegen, die Bedingungen für das Heilungsgeschehen zu beschreiben, gerecht zu werden. Oft verliert er sich in Formulierungen, die lediglich bereits Geschriebenes wiederholen. Hier wäre weniger mehr gewesen, denn die häufigen Wiederholungen machen den Gegenstand, um den es geht, nicht klarer und das Geheimnis nicht geheimnisvoller. Trotz der Ansage des Autors, es handle sich bei seinen Texten nicht um Äußerungen im Sinne „einer stringenten Logik“, bleibt dennoch manches im Dunkeln; oft hätte ich beim Lesen gern das „Wie“ zumindest angedeutet bekommen.
Konkret wird Heinz Rataj im zweiten und dritten Abschnitt seines Buchs, hier kann der Leser erfahren, wie das Handeln beim Heilungsprozess aus Sicht des Autors aussehen könnte. Heinz Rataj stellt die von ihm begleitete Gruppenarbeit vor, die eine der Quellen für „Das Ur-Phänomen Heilung“ zu sein scheint. Anregende Einsichten gewinnt man hier, die sich gewiss eignen, von einem selbst im therapeutischen Prozess angewandt zu werden. Denn eins ist offenkundig bei diesem Buch: es richtet sich vor allem an Menschen, die therapeutisch tätig sind und dem „Dazwischen“ in der Begegnung mit ihren Klienten oder Patienten mehr Raum und größere Tiefe geben möchten.
Einschätzung der Redaktion des Reiki Magazin:
Inspirierend!