Aquamarin Verlag, 2014, 192 Seiten, 17,95 €
In der Medizin fällt das Phänomen „Spontanheilung“ unter den Sammelbegriff „Spontanremission“. Eine als tödlich oder unheilbar diagnostizierte Krankheit verschwindet plötzlich und auf nicht nachvollziehbare Weise. Fakt ist: der Patient ist gesund. Da interessiert es nicht, dass die deutsche Übersetzung des Begriffs „Remission“ impliziert, dass hier etwas zurückgeschickt worden ist. Zurückgeschickt? Wohin? Und an wen? Ja, war es denn vorher geschickt worden? Und wenn ja: warum?
Solche Fragen, erfrischend und provokativ, machen den Reiz des Buches „Spontanheilung“ von Katarina und Peter Michel aus. Doch nicht allein sie. Letztlich geht es in dem Buch vor allem um die Frage nach dem überfälligen Paradigmenwechsel, nicht nur in der Medizin. Denn: „Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist!“
„Spontanheilung“ ist eine Sammlung von Fakten rund um das erstaunliche Phänomen – und stellt zusätzlich komplementäre Behandlungsmethoden vor, darunter solche wie Handauflegen (Reiki), klassische Homöopathie und einiges, was unter den Oberbegriff Geistheilung fallen könnte. Um den Geist geht es letztlich, wie die Autoren schreiben: „In vielen der ungewöhnlichen Heilungen … geht es um die Rückkehr zur Quelle und um eine erneute Ganzwerdung. (…) Man kann bei einem Erkrankten zwar jedes Organ auswechseln, aber man kann den inneren Menschen nicht verändern. Dies kann nur er selbst!“
Katarina und Peter Michel argumentieren mit ihrem Buch nicht gegen die Schulmedizin, generell nicht „ ‚gegen‘ etwas“, sondern für die Patienten und, wie sie ausdrücklich betonen: „als Plädoyer für das LEBEN“. Kern des Buches, wie auch jener der darin gesammelten Spontanheilungen ist ein veränderter Blick auf das eigene Leben, kurz gesagt: eine umfassende innere Wandlung, die den entscheidenden Anstoß zur Besserung ausmache.
Warum werden spontan und vollständige genesene, zuvor schwerkranke Patienten für die Medizin uninteressant? Warum sind solche Fälle nicht gründlich erforscht, sondern werden mit Argumenten wie dem „Placebo-Effekt“ geradezu beiseite gefegt? Der selbst wiederum mehr Rätsel denn erschöpfende Antwort ist, wie das Buch dokumentiert. Mindestens zwei der in diesem Buch enthaltenen Gedankengänge könnten beleuchten, weshalb der „Placebo-Effekt“ kompliziert ist und zusätzlich für die Forschung uninteressant sein könnte. Der eine handelt vom Geist – nicht dem alltäglichen Plappergeist, der zigtausende Gedanken täglich produziert –, der andere von der Individualität jedes einzelnen Patienten und der Einzigartigkeit seines persönlichen Erlebens von Heilung. Die ist nun mal nicht reproduzierbar.
Ärzte und Forscher kommen im Buch zu Wort, die dem Phänomen der Spontanheilung auf der Spur sind, wie etwa der Psychiater Lawrence LeShan, der die seelischen Ursachen für das Entstehen von Krebs untersucht hat. LeShan hat dabei im Laufe seiner jahrzehntelangen Arbeit mit Krebspatienten eine Liste von sieben Fragen entwickelt, die im Buch enthalten sind. Gemeinsam ist diesen Fragen die Fokussierung auf den Umgang des Befragten mit sich selbst. So leiten sie zu einer Reflexion darüber an, in welcher gefühlsmäßigen Verfassung sich ein Mensch nicht nur im Zustand des Krankseins, sondern generell in seinem Leben und in seinen Beziehungen befindet. Welchen Wert misst er sich selbst und seinem Leben bei?
Es wird immer deutlicher, dass Menschen mehr sind als ihr Körper, mehr als das verkürzte „Körper-Geist“-System, das in die Medizin Einzug gehalten hat und die Seele ausklammert. Die Autoren Michel diskutieren auch die Frage nach dem Geist bzw. Bewusstsein und dessen Herkunft. Zuweilen mit feinem Sarkasmus: „Es gibt nur einen Ansatzpunkt, der zu einer möglichen Erklärung des Phänomens von Spontanheilung führt – das Bewusstsein. Alle Versuche, auf der biologischen oder pharmakologischen Ebene Antworten zu finden, sind (…) längst gescheitert, auch wenn das gängige medizinische Weltbild dieses (…) bisher unbeschadet überstanden zu haben scheint.“
Es gibt unter den vielen Ebenen im Heilungsgeschehen, wie etwa der Rolle der Gesellschaft, eine, die unverfügbar ist. Die Autoren nennen sie „Gnade“.
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Bedauerlicherweise gibt es in diesem gut recherchierten Buch keinen Index und kein Literaturverzeichnis. So muss man sich die verwendete Literatur aus dem umfangreichen Verzeichnis an Fußnoten heraussuchen.
Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass aktuell unter weltweiter Anteilnahme eine junge Amerikanerin den Freitod wählte, da ihr Gehirntumor laut Aussage des behandelnden Arztes unheilbar war, scheint die Lektüre dieses Buches geradezu unbequem. Unbequem, weil es auch Fragen aufwirft, die sich nur beantworten lassen, wenn man bereit ist, sie regelrecht „wiederzukäuen“. Es sind keine, die man ohne Nachdenken beantworten kann. Es geht dabei um einen selbst. Beim Lesen kann es geschehen, dass man innehält, um sich den Überlegungen zu stellen, die im Buch aufgeworfen werden. Obwohl das Buch keine 200 Seiten Umfang hat, ist es nicht in einem Rutsch durchgelesen. Das wäre auch schade. Die direkt wie auch zwischen den Zeilen gestellten Fragen und gesammelten Fakten sind es wert, bedacht und reflektiert zu werden.
Einschätzung der Redaktion des Reiki Magazin:
Sehr informativ, insgesamt gelungen!
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