Carl-Auer Verlag, 160 Seiten, 14,95 Euro
Wer zum Arzt geht, kennt das: man sitzt nach dem Aufenthalt im Wartezimmer dem Mediziner an dessen Schreibtisch gegenüber – und die Kommunikation kommt nicht recht in Gang, sie scheitert schlimmstenfalls. Oder man verlässt die Praxis und merkt, dass trotz eines freundlichen Plauderns mit dem Arzt Wichtiges ungesagt blieb.
Abhilfe dafür möchte der Arzt und Psychotherapeut Dr. med. Lutz Wesel schaffen. Mit seinem Buch „Wie sag ich’s meinem Doc? Machen Sie das Beste aus Ihrem Arztbesuch!“ gibt er allen Interessierten einen Leitfaden in die Hand, der das Phänomen „Arzt-Patienten-Kommunikation“ von beiden Seiten des Schreibtischs beleuchtet und untersucht. Sein Schwerpunkt ist dabei eindeutig definiert: hier geht es um den Patienten. Was kann er oder sie tun, um mit dem Arzt in ein befriedigendes Gespräch zu kommen und alles, worum es geht, möglichst auf den Punkt gebracht, zu sagen? Damit beide zufrieden sind: der Patient, weil er verstanden und somit angemessen behandelt werden kann, der Arzt, weil er weiß, was sein Behandlungsauftrag ist.
Wesels Stil ist amüsant und unterhaltsam. Eingestreut sind nicht nur Beobachtungen der mitunter schwierigen Kommunikation zwischen Arzt und Patient und umgekehrt, sondern auch Witze und Bon-Mots aus dem medizinischen Alltag. Sie lockern das trotz seines geringen Umfangs ertragreiche Buch auf. Dennoch ist „Wie sag ich’s meinem Doc?“ ein Buch mit Tiefgang und Ernsthaftigkeit. Denn es handelt von Elementarem: die Verantwortung für sich selbst übernehmen, seine Bedürfnisse und Fragen angemessen da kommunizieren, wo es um die eigene Gesundheit oder gar das Leben geht. Denn der Mediziner ist trotz seines umfangreichen Wissens kein Hellseher.
„Wie sag ich’s meinem Doc?“ ist in acht Kapitel gegliedert, von denen jedes einem bedeutenden Aspekt der Patienten-Arzt-Kommunikation gewidmet ist. Lutz Wesel beginnt buchstäblich am Anfang einer Arzt-Patienten-Beziehung: beim Medizinstudium. Denn in diesem jahrelangen Studium wird der künftige Arzt geformt. Der Verfasser schreibt vom Idealismus, der junge Menschen Medizin studieren lässt – und wie dieser später mit der Wirklichkeit eines Gesundheitssystems kollidiert, das ökonomisch durchstrukturiert ist und rein wirtschaftlich denkt. Er schreibt auch von Patienten, die meinen, durch Lektüre per Google besser Bescheid zu wissen als der Mediziner. Außerdem erklärt er, was es mit den sogenannten „Individuellen Gesundheits-Leistungen“, kurz: „IGeL“, auf sich hat, wie diese jeweils einzuordnen sind. Wesel hat einen umfassenden Blick und bedenkt immer die Patientensicht. Er plädiert dafür, ab einem bestimmten Alter regelmäßig zum Arzt zu gehen, zur Pflege der Gesundheit, damit gar nicht erst Krankheit entsteht oder diese gegebenenfalls im Anfangsstadium entdeckt und behandelt werden kann. Das ist für beide Seiten entspannter. Außerdem entlaste dies langfristig gesehen das Gesundheitssystem. Das wird besonders im Kapitel zu den Individuellen Gesundheitsleistungen sichtbar: hier gibt der Verfasser sogar konkrete Tipps, die die Position des Patienten gegenüber seiner gesetzlichen Kasse stärken und ihm helfen können, dieser gegenüber selbstbewusst aufzutreten.
Dreh- und Angelpunkt einer guten medizinischen Versorgung ist nach Ansicht des Verfassers ein guter Hausarzt. Wie man diesen findet, woran man ihn erkennt und wie man mit ihm kommuniziert, dafür gibt Lutz Wesel reichlich Tipps. Die Wichtigkeit eines guten Hausarztes, der das Vertrauen seines Patienten mit Fug und Recht haben kann, unterstreicht Lutz Wesel am Beispiel Krankenhaus und Klinikärzte sowie deren Sicht der Dinge. Der Verfasser erklärt, welchen Zwängen Krankenhäuser und Klinikärzte unterliegen: „Die Ärzte einer Klinik könnten möglicherweise unter dem Druck des hohen Gewinnanspruchs der privaten Betreiber versucht sein, eine schwerere Diagnose zu stellen als es den wahren Gegebenheiten entspricht …“ Schlicht deshalb, weil es dafür mehr Geld gibt. Lutz Wesel erklärt daher auch Begriffe wie „Fallpauschalen“ und „Verweildauer“. Doch mit Humor. So lässt er in einem zitierten Witz einen Chirurgen beim Verlassen des OP über den Patienten sagen: „Den haben wir gerade noch rechtzeitig operiert – einen Tag später, und er wäre auch so gesund gewesen“.
Der Hausarzt ist Zentrale und Leitstelle für weitergehende medizinische Versorgung, er schickt den Patienten, wenn es nötig ist, zu Spezialisten, die wiederum mit ihm, sollte es erforderlich sein, das weitere gemeinsame Vorgehen in der Behandlung des Patienten absprechen. Der Hausarzt wiederum kommuniziert die Befunde und Therapieansätze der Spezialisten mit dem Patienten. Durch Lutz Wesels Buch wird klar: der Hausarzt muss über ein breitgefächertes und gründliches Wissen verfügen, das ihn sowohl befähigt, mit den Spezialisten hinsichtlich ihres jeweiligen Spezialgebiets zu kommunizieren als auch sich auf der Ebene des Patienten und dessen Sprache zu bewegen. Somit ist Lutz Wesels Buch auch ein Plädoyer für den häufig unterschätzten Stand des Hausarztes, der sich täglich mit den unterschiedlichsten Patienten sowie deren Beschwerden und Symptomen befasst; der genaue Diagnosen stellen muss oder zumindest einschätzen können muss, wann und zu welchem Fachmann er seinen Patienten weiterschickt. Das kann nur ein Mediziner, der ein breites Wissen hat. Für die Tiefe im jeweiligen Fachgebiet sind seine spezialisierten Kollegen dann zuständig. Wenn alle zusammenarbeiten, ist letztlich allen gedient. Nicht nur dem Patienten, auch den Ärzten und dem Gesundheitswesen. Basis dafür ist und bleibt ein mündiger und seiner Sache bewusster Patient, der weiß, wie er effektiv mit seinem Arzt kommuniziert und der dessen Verhalten für sich einschätzen kann, dahingehend, dass er weiß, ob er bei diesem oder jenem Arzt gut aufgehoben ist.
Einschätzung der Redaktion des Reiki Magazin: Lebendig geschrieben, hilfreich, versiert!
Direkt bei Amazon bestellen: Wie sag ich’s meinem Doc?: Machen Sie das Beste aus Ihrem Arztbesuch!