Die Sophisten
Gegen 450 v. Chr. wurde Athen zum kulturellen Zentrum der griechischen Welt und zur Lebens- und Wirkstätte der drei wichtigsten Philosophen der Antike. Eine Voraussetzung der in Athen entstehenden Demokratie war die Aufklärung und Bildung des Volkes. Dieser Unterricht, dessen Schwerpunkt die Redekunst (Rhetorik) bildete, wurde von wandernden Lehrern und Philosophen geleistet – den sogenannten Sophisten.
Die Sophisten lehnten alle unnötige philosophische Spekulation ab, da der Mensch mit seinen begrenzten Möglichkeiten keine wirklich sicheren Antworten auf die Rätsel der Natur und des Universums finden könne. Insofern können sie als Skeptiker und – da sie die Existenz Gottes weder für beweisbar noch widerlegbar hielten – als Agnostiker bezeichnet werden.
Stellvertretend ist Protagoras (ca. 487 – 420 v. Chr.) zu nennen, der den Mensch als das Maß aller Dinge betrachtete. Recht und Unrecht, Gut und Böse müsse in Bezug auf die Bedürfnisse der Menschen bewertet werden. Da der Mensch und sein Platz in der Gesellschaft zentrales Anliegen war, wurde diskutiert, was naturgegeben und was von der Gesellschaft gegeben war. Die Sophisten zeigten u.a., daß es kein natürliches Schamgefühl gibt, und behaupteten schließlich, daß es keine absoluten Normen für Recht und Unrecht gäbe.
Sokrates
Als Antwort auf die Sophisten versuchte Sokrates (470 – 399 v. Chr.) zu beweisen, daß einige Normen wirklich absolut und allgemeingültig sind. Um dies zu erkennen, benötigen wir Wissen, denn die Fähigkeit, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden, liege in der Vernunft und nicht in der Gesellschaft. Das Gewissen, unsere innere göttliche Stimme, gibt uns laut Sokrates die richtige Erkenntnis, die zum richtigen Handeln führen soll.
Denn es ist nur möglich, glücklich zu werden, wenn wir unseren Überzeugungen entsprechend handeln. Als Sokrates, wie so mancher Philosoph vor oder nach ihm, für seine öffentlich vertretenen Ansichten von der Obrigkeit zum Tode verurteile wurde, war er deshalb bereit, für seine Überzeugungen zu sterben.
Sokrates – übrigens ein Gegner der Todesstrafe – glaubte als Rationalist, daß das Fundament unserer Erkenntnisse in der menschlichen Vernunft liegt. Gleichzeitig zeigt sein vielzitierter Ausspruch „Ich weiß, daß ich nichts weiß“ seine Demut als Philosoph, als Liebhaber der Weisheit, der sich – im Gegensatz zu den Sophisten – für seine Lehrtätigkeit nicht bezahlen ließ. Cicero sagte Jahrhunderte später, „Sokrates habe die Philosophie vom Himmel auf die Erde geholt, sie in den Städten und Häusern Wohnung nehmen lassen und die Menschen gezwungen, über Leben und Sitten, über Gut und Böse nachzudenken.“ (Gaarder, 85)
Platon
Ein langjähriger Schüler von Sokrates und Verfasser der Dialoge mit seinem Lehrer war Platon (427 – 347 v. Chr.). Er eröffnete erstmals eine sogenannte Akademie, in der Philosophie, Mathematik und Gymnastik unterrichtet wurden – das erstere zumeist in Form lebendiger Gespräche.
Platon versuchte eine ewige und unveränderliche Wirklichkeit zu ergründen, die er hinter der Sinnenwelt sah und in seinem Höhlengleichnis verdeutlichte. Seine Ideenlehre besagt, daß es in der Welt der Ideen – über die wir nur mittels der Vernunft gesichertes Wissen erlangen können – ewige Urbilder für die Phänomene gibt, die wir in der Sinnenwelt wahrnehmen. Letztere kann aufgrund unserer unvollkommenen Sinne nicht wirklich ergründet werden, sie enthält nur unbeständige Dinge, die im Fluß entstehen und vergehen.
Auch der Mensch hat als zweigeteiltes Wesen einen vergänglichen Körper und eine nicht-materielle Seele, den Wohnsitz der Vernunft. Die Seele kann sich an die Ideenwelt als ihre Heimat erinnern und möchte – so sich der Mensch nicht an die Spiegelbilder der Ideen in der Sinnenwelt klammert – aufgrund der Liebessehnsucht nach ihrem eigentlichen Ursprung von dem Kerker des Körpers und der unvollkommenen Sinnenwelt befreit werden.
Platon entwickelte ebenfalls seine Vorstellungen von einem idealen, vernunftgeleiteten, gerechten Staat und zeigte, daß Frauen dieselbe Vernunft wie Männer haben können „wenn sie nur dieselbe Ausbildung erhielten und ansonsten vom Kinderhüten und der Hausarbeit befreit würden.“ (Gaarder, 113)
Aristoteles
Der letzte große griechische Philosoph und Europas erster großer Biologe war Platons Schüler Aristoteles (384 – 322 v. Chr.). Im Gegensatz zu den Ansichten seines Lehrers liegt für ihn der höchste Grad der Wirklichkeit nicht in der Vernunft, sondern dem, was wir mit den Sinnen wahrnehmen oder empfinden. Die Natur ist nicht ein Reflex der Ideenwelt, sondern die Seele des Menschen reflektiert die Natur. Unser Bewußtsein wird also durch Sinneseindrücke geformt, die wir mittels der Vernunft als dem wichtigsten Kennzeichen des Menschen ordnen.
Aristoteles stellte fest, „daß die Wirklichkeit aus verschiedenen Einzeldingen besteht, die eine Einheit aus Form und Stoff darstellen. Der Stoff ist das Material, aus dem das Ding besteht, während die Form die besonderen Eigenschaften der Dinge bezeichnet.“ (Gaarder, 132). Die Form sagt etwas über die Möglichkeiten aller lebenden und toten Dinge aus.
Aristoteles begründete die Logik als Wissenschaft und glaubte an die Zweckmäßigkeit in der Natur. Alles hat eine Art Lebensursache oder Absicht: der Regen nährt die Pflanzen, die wiederum den Menschen nähren.
Dabei gehören alle Dinge in der Natur zu verschiedenen Gruppen und Untergruppen. Er sah auch eine Rangordnung in der Natur, die von den unbeseelten Dingen zum Reich der Pflanzen und über die Tiere zum Menschen mit seinem göttlichen Geistfunken führte. Diese Ordnung erfolgt aufgrund der Eigenschaften der Dinge, dem, was sie können oder was sie tun. An die oberste Stelle dieser Hierarchie stellte Aristoteles Gott oder den ersten Beweger als Ursache aller Bewegungen in der Natur.
„Der Mensch wird nur glücklich, wenn er alle seine Fähigkeiten und Möglichkeiten entfalten und benutzen kann“ (Gaarder, 140). Zu einem glücklichen Leben gehörten laut Aristoteles sowohl das Leben der Lust und Vergnügungen, das Leben als freier, verantwortlicher Bürger und das Leben als Forscher und Philosoph, alles in einem ausgeglichenen und maßvollen Verhältnis, dem von ihm empfohlenen goldenen Mittelweg. Ausgerechnet Aristoteles Frauenbild als der Frau als unvollständigem Mann führte im Rahmen der Bedeutung seiner Lehren im Mittelalter zum abwertenden Frauenbild der Kirche.
geniale Menschen , oft missverstanden oder gar unterschätzt.